28.03.2025 | Belegschaften diesseits wie jenseits des Atlantiks könnten Handelsstreit nicht gebrauchen
Wolfsburg/Washington - Die Arbeitnehmerseite bei Volkswagen erwartet von der Europäischen Union eine klare Reaktion auf die Ankündigung der USA, ab kommender Woche enorme Zollschranken für Autoimporte einzuführen. Auch der deutsche Branchenverband VDA und Spitzenpolitiker wie Niedersachsens Ministerpräsident und VW-Aufsichtsrat Stephan Weil äußerten sich ähnlich.
US-Präsident Donald Trump hatte am Donnerstag angekündigt, ab Anfang April 25 Prozent Aufschlag auf alle Einfuhren von Pkw, leichten Nutzfahrzeugen und Autoteilen in die Vereinigten Staaten zu verhängen. Damit verschärft der republikanische Politiker den Handelsstreit mit der EU.
Daniela Cavallo, Präsidentin des Europäischen- und Weltkonzernbetriebsrates der Volkswagen AG, sagt dazu:
"Die Belegschaften im Volkswagen-Konzern können einen eskalierenden Handelsstreit nicht gebrauchen - egal ob diesseits oder jenseits des Atlantiks. Dasselbe gilt übrigens auch für unsere Kundinnen und Kunden. Daher muss jetzt zuallererst alles unternommen werden, um als Europäische Union eine gemeinsame, entschiedene Antwort auf die neuen US-Zölle zu finden. Gleichzeitig muss es aber auch das Ziel sein, zu deeskalieren und rasch nachhaltige Kompromisse zu finden. Ansonsten wächst die Gefahr, dass eine Eskalations-Spirale entsteht, die am Ende auf beiden Seiten nur Verlierer produziert und zulasten der globalen Automobilindustrie insgesamt geht."
Trumps Strafmaßnahme träfe besonders die deutsche Automobilindustrie hart, jedoch dürfte das Vorhaben Fachleuten zufolge auch heimische US-Hersteller wie GM und Ford kräftig belasten. Laut dem Plan des US-Präsidenten gelten die Zölle für alle importierten Fahrzeuge, vom Kleinstwagen über Limousinen und SUV bis zu leichten Nutzfahrzeugen. Der Importzoll wird allerdings auch für wichtige Autoteile fällig, wenn auch dort möglicherweise erst ab Mai.
Die Importe von Fahrzeugen und Autoteilen in die USA übertreffen deren Exporte deutlich. Zu den wichtigsten Lieferanten-Ländern in die USA gehören Mexiko, Japan, Südkorea, Kanada - und Deutschland. Porsche zum Beispiel liefert jedes dritte Fahrzeug nach Nordamerika. Die USA sind nach China der weltgrößte Automobilmarkt.
Laut der jüngsten Jahresbilanz des VW-Konzerns rangiert Nordamerika in der Erlösstatistik nach Märkten mit fast 70 Milliarden Euro Umsatz hinter Europa auf Platz zwei. Während rund 21 Prozent des Umsatz-Kuchens auf Nordamerika entfällt, sind es beim Absatz nur etwa 12 Prozent. Daran lässt sich ablesen, dass es vor allem hochpreisige Fahrzeuge sind, die der Volkswagen-Konzern in Nordamerika absetzt. Und die Faustregel gilt: hohe Preise, hohe Marge. Gewinnanteile nach Weltmärkten weist der Konzern allerdings schon seit Winterkorn-Zeiten nicht mehr einzeln aus (vom China-Gewinnanteil der dortigen Gemeinschaftsunternehmen im Finanzergebnis einmal abgesehen, was mit buchhalterischen Pflichten zusammenhängt).
Trump hatte am Donnerstag gesagt: "Einer der Gründe, warum ich Zölle einführe, ist der, dass wir Millionen ihrer Autos nehmen - BMW, Volkswagen, Mercedes Benz." Gleichzeitig sei es wegen weiterer Handelshemmnisse "fast unmöglich", US-Fahrzeuge in die EU zu importieren. In der Tat lagen die Zölle der europäischen Staatengemeinschaft bisher höher: Während die USA auf Fahrzeuge aus der EU zuletzt nur 2,5 Prozent Zoll erhoben, veranschlagte die EU mit 10 Prozent auf US-Autoimporte das Vierfache des Satzes in den USA. Dort wiederum waren allerdings die US-Zölle auf Pickups und leichte Nutzfahrzeuge mit 25 Prozent auch schon bisher deutlich höher. Nun hebt Trump den Satz auf einheitlich 25 Prozent Aufschlag an - für sämtliche Fahrzeuge plus zentrale Autoteile.
Ähnlich wie Daniela Cavallo äußert sich auch Christiane Benner. Die Erste Vorsitzende der IG Metall und stellvertretende Vorsitzende im Aufsichtsrat der Volkswagen AG sagt:
"Europa muss jetzt zusammenstehen und schnell eine gemeinsame Antwort finden. Gleichzeitig gilt es, Lösungen zu suchen, die nicht weiter zu einer Eskalation und einem globalen Handelsstreit führen. In sowieso herausfordernden Zeiten für die deutsche Automobilindustrie und die Beschäftigten sind diese Entwicklungen Öl in das Feuer der Unsicherheit. Am Ende gehen die geplanten Zölle zulasten von Beschäftigten in der Automobilbranche und der Verbraucher und Verbraucherinnen in den USA."
Deutschlands Automobil-Branchenverband VDA zeigt sich entsetzt von Trumps Plänen. VDA-Präsidentin Hildegard Müller sagt: "Die angekündigten zusätzlichen US-Zölle in Höhe von 25 Prozent auf alle Pkw und leichte Nutzfahrzeuge, die nicht in den USA hergestellt werden, sind ein fatales Signal für den freien und regelbasierten Handel. Die Zölle, die ab dem 3. April in Kraft treten sollen, stellen eine erhebliche Belastung sowohl für die Unternehmen als auch die eng verwobenen globalen Lieferketten der Automobilindustrie dar – mit negativen Folgen vor allem für die Verbraucherinnen und Verbraucher – gerade in den USA."
(Die ganze Reaktion von Frau Müller steht hier)
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil äußerte sich am Donnerstag so:
"Diese Ankündigung von Präsident Trump war absehbar, sie ist sehr bedauerlich und wirtschaftspolitisch für alle Beteiligten schädlich. Handelskriege kennen keine Gewinner – sie kennen nur Verlierer, das ist eine alte Erfahrung. Die negativen Auswirkungen werden auch innerhalb der Vereinigten Staaten nach Ansicht von Experten beträchtlich sein. Es ist unter diesen Umständen zugleich unvermeidlich, dass die Europäische Union reagiert und dafür sorgt, dass der europäische Markt für amerikanische Produkte auch nur unter erschwerten Bedingungen erreichbar sein wir. Nach meinen Gesprächen, die ich vor einigen Wochen in Brüssel geführt habe, gehe ich davon aus, dass entsprechende Pläne bereits in den Schubladen liegen. Ich hoffe sehr, dass diese Auseinandersetzung keine Eskalation nimmt. Andererseits muss man nüchtern feststellen, dass dieses Risiko besteht."
Der Volkswagen-Konzern bringt enorme Auslandsinvestitionen nach Nordamerika. Für den zweitgrößten Automobilmarkt der Welt sind jeweils größere Milliardenbeträge eingeplant für folgende Bereiche:
Hinzu kommen die laufenden Aktivitäten in Mexiko.
Übersee-Drehkreuz: der Emder Hafen
Der Emder Hafen ist der drittgrößte Automobilumschlaghafen in Europa. Hier werden nahezu alle Marken des Volkswagen Konzerns durch die Volkswagen Konzernlogistik und die Autoport Emden GmbH aus dem europäischen- und den Überseestandorten umgeschlagen. Rund 600 Schiffe, 160.000 Waggons und 35.000 Lkw kommen pro Jahr an die Emsmündung, um Autos anzuliefern oder abzuholen. Von Emden aus werden importierte Fahrzeuge aus Portugal, Spanien, Mexiko und Südafrika in Europa verteilt. Ebenso exportieren Automobilhersteller weltweit ihre Fahrzeuge über Emden. So zum Beispiel die USA, UK, Kanada, Mexiko, Japan, Taiwan, Spanien oder Portugal. Im Jahr 2023 wurden rund 1,3 Millionen Fahrzeuge über den Emder Hafen verschifft. Etwa ein Drittel der Fahrzeuge waren Elektrofahrzeuge (BEV & PHEV).
(Quelle)