23.10.2024 | Bundesarbeitsgericht weist an Vorinstanz zurück – aber keine Rechtsfehler erkannt
Erfurt/Wolfsburg – Die jüngste Betriebsratswahl im Volkswagen-Stammwerk aus dem Jahr 2022 bleibt gültig, muss allerdings in einem Detail der Abläufe noch einmal am Landesarbeitsgericht Niedersachsen erörtert werden. Das entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) als die höchste zuständige Instanz in Deutschland am Mittwoch. Endgültig gescheitert ist die juristisch durch alle Instanzen vorangetriebene Anfechtung gegen die Wahl der Belegschaftsvertretung damit nun zwar noch nicht. Allerdings ist inzwischen nur noch eine einzige Detailfrage offen.
Das BAG mit Sitz im thüringischen Erfurt stellte am Mittwoch fest, dass sich das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen als Vorinstanz noch einmal mit einem Detail der Abläufe bei der Betriebsratswahl im Jahr 2022 zu befassen hat. Fast alle Gründe der Anfechtung schmetterte das BAG vollständig ab. Nur noch eine einzige Frage zu den Abläufen der Wahl steht noch im Fokus, bei der die Tatsachen laut BAG noch nicht genau genug am LAG erörtert worden waren. Dabei geht es um Details zu Fragen, wer Briefwahlunterlagen erhalten hat und wer nicht.
Das LAG dürfte sich Erfahrungswerten zufolge frühestens 2025 erneut mit dem Fall beschäftigen.
Die neun Antragsteller hatten bei der Wahl 2022 auf drei Listen kandidiert. Auf diese Listen entfielen von den 73 zu wählenden Sitzen lediglich insgesamt 5 Mandate. Klare Wahlsiegerin war damals einmal mehr die Liste der IG Metall, die 86 Prozent der Stimmen auf sich vereinte.
Nach der Entscheidung des BAG sagte ein Sprecher des VW-Betriebsrates: „Alles, was noch einmal unter die Lupe der Gerichte muss, soll gerne auch dorthin. Denn wir sind weiterhin der festen Überzeugung, dass unser Wahlvorstand überall hoch professionelle Arbeit geleistet und in allen Aspekten für eine vorbildlich organisierte Betriebsratswahl gesorgt hat. Das hat nun auch das BAG festgestellt, das alle beurteilungsfähigen Vorwürfe der Anfechtenden abschmetterte. Zur weiteren Bewertung der BAG-Entscheidung gilt es nun, die schriftliche Urteilsbegründung abzuwarten. Dann wird sich zeigen, was genau am Landesarbeitsgericht noch einmal einer Begutachtung unterzogen werden soll. Auch dem blicken wir schon jetzt zuversichtlich entgegen.“
Zug durch alle drei Instanzen mit Entscheidungen 2022, 2023 und nun 2024
Rückblick: In erster Instanz des Anfechtungsverfahrens im Sommer 2022 hatte das Arbeitsgericht Braunschweig die Wahl noch kritisiert. In einer rekordverdächtig knappen Verhandlung monierte die dortige Kammer einerseits den Zeitpunkt, zu dem die Wahlberechtigten in einer Phase von Pandemie und Kurzarbeit ihre Unterlagen und Infos zur Wahl bekommen hatten. Andererseits bemängelte die erste Instanz Aspekte zum Umgang mit zurückgesandten Briefwahlunterlagen.
Der Betriebsrat hatte gegen die Entscheidung aus Braunschweig Beschwerde eingelegt und war damit vor das Landesarbeitsgericht in Hannover gezogen. Denn die Kritik des Arbeitsgerichtes überzeugte die Arbeitnehmervertretung nicht; die Entscheidung basierte auf unvollständig ermittelten Tatsachen und war in Teilen schlicht rechtlich falsch. Dem schloss sich das Landesarbeitsgericht in seiner Überprüfung im Jahr 2023 an. Die Kammer in Hannover unter Vorsitz des Richters Kunst beschäftigte sich mit allen Angriffen der Antragsteller, hob drei Punkte allerdings besonders intensiv hervor: Das Prozedere zum Festlegen der Briefwahl, die räumliche und personelle Situation in den Wahlvorstandsbüros sowie die Bemessungsgrundlage der 73 im Stammwerk zu vergebenen Betriebsratsmandate.
Zur detaillierten Aufklärung dieser Sachverhalte befragte das Landesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 13 TaBV 46/22 auch zwei Zeugen aus dem damaligen Wahlvorstand. Die Kammer verhandelte von 11.00 bis 16.00 Uhr, was für einen solchen Kammertermin außergewöhnlich ausführlich ist. Der Termin in erster Instanz hatte nur einen Bruchteil dieser Zeit gedauert. Schließlich räumte das LAG unter Vorsitz von Richter Kunst dann alle Kritikpunkte aus der ersten Instanz beiseite.
Am Mittwoch im Erfurter Bundesarbeitsgericht war der 7. Senat zuständig (Aktenzeichen 7 ABR 34/23). Dem Senat gehören neben der Vorsitzenden Richterin Schmidt zwei weitere Berufsrichter sowie zwei ehrenamtliche Richter an; es entscheiden also insgesamt fünf Personen.
Eine Betriebsratswahl gerichtlich überprüfen lassen zu können, ist eine wichtige Errungenschaft für die Demokratie im Betrieb. Der Arbeitgeber muss die Kosten solcher Verfahren bezahlen, eine Anfechtung ist für die Anfechtenden also ohne persönliches finanzielles Risiko.
Wichtig ist zu wissen: Der nun weiterlaufende Rechtsstreit hatte zu keiner Zeit Auswirkung auf die Arbeit des Betriebsrates im VW-Stammwerk. Alle Handlungen und Beschlüsse der Arbeitnehmervertretung waren, sind und bleiben vollumfänglich wirksam, ohne irgendeinen Vorbehalt. Selbst die Erklärung der Unwirksamkeit der Wahl durch das Bundesarbeitsgericht hätte hieran für die Vergangenheit nichts geändert.