Tarifrunde nimmt Fahrt auf

IG Metall empfiehlt 7 Prozent Entgeltplus für die Branche

17.06.2024 | Entscheidung für die Forderung bei VW steht am Freitag an.

Wolfsburg/Frankfurt am Main - Es gibt Neuigkeiten für die nahende Tarifrunde: Der Vorstand der IG Metall empfiehlt für die anstehenden Verhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie eine Forderung nach 7 Prozent mehr Geld. Das teilte die Gewerkschaft am Montag in Frankfurt am Main mit. Für Volkswagen wird die Tarifkommission an diesem Freitag entscheiden, welche Forderungen sie für angemessen hält. Die aus Frankfurt empfohlenen 7 Prozent sind dabei nicht bindend – aber eine wichtige Wegmarke.

Hier auf IGM bei VW werdet Ihr am Freitagmittag direkt mit der Entscheidung der Tarifkommission, die in Hannover tagt, die Details erfahren. Vorher haben wir Euch einen Rückblick auf die vergangenen Tarifrunden aufbereitet und klären (für Fans der Materie, siehe Infokasten unten) Details rund um Entgeltentwicklungen:

Die jüngsten Haustarifrunden waren bei Volkswagen so ausgegangen:

Im Februar 2018 endete die erste Haustarifrunde seit mehr als zehn Jahren, in deren Verlauf es Warnstreiks gegeben hatte. Eine der unternehmensseitigen Forderungen hatte damals gelautet, den im VW-Manteltarif verbrieften Anspruch auf Freizeit an Heiligabend und Silvester aufzulösen (ein Tag mehr gegenüber der Regelung in der Fläche). „Asozial“ sei dieses Ansinnen, hieß es damals vom Betriebsrat. Mit der Einigung im Februar hatte die Manteltarifregelung zu Heiligabend/Silvester Bestand – und folgende Punkte kamen im Haustarifvertrag neu hinzu:

  • Von Mai 2018 an steigen die Entgelte um 4,3 Prozent.
  • Für die Monate davor (Februar, März und April) gibt es 100 Euro Einmalzahlung.
  • Schub für die Betriebliche Altersvorsorge: ab Juli 2019 monatlicher Rentenbaustein über 90 Euro (statt zuvor 27 Euro). Ab Januar 2020 dann sogar 98 Euro monatlich - der Betrag wird tarifdynamisch, das heißt er wächst seither mit allen Tariferhöhungen automatisch mit.
  • Ab 2019 kommt das Tarifliche Zusatzgeld (T-ZUV). Es beträgt 27,5 Prozent eines jeweiligen durchschnittlichen Monatsentgelts und wird im August ausgezahlt, falls nicht eine Abgeltung in freien Tagen erfolgt.
  • Das Unternehmen garantiert bis Ende 2020 die jährlich 1400 neuen Ausbildungsplätze.
  • Die Ausbildungsvergütungen steigen ebenfalls um 4,3 Prozent (Einmalzahlung für Februar bis April 70 Euro).
  • Laufzeit bis 30. April 2020.

Im April 2020 schoben die Tarifvertragsparteien unter dem Eindruck der Corona-Krise ihre Verhandlungen. Der historische Einschnitt der Pandemie mit wochenlangen Produktionsausfällen, milliardenschweren Kosten und ungewissen Perspektiven hatte diesen ungewöhnlichen Abschluss notwendig werden lassen. Er sah Folgendes vor:

  • Verschiebung der eigentlichen Haustarifrunde bis zum Jahreswechsel 2020/2021. Die bisherigen Entgeltregelungen liefen weiter.
  • Verbesserungen für die Wandlungsoption der Tariflichen Zusatzvergütung (T-ZUV).
  • Außerdem gab es finanzielle Unterstützung für Eltern, die von behördlichen Kita- und Schulschließungen betroffen waren.
  • „Meine Auszeit“: Fortan konnte ein Sabbatical beantragt werden. Beschäftigte können sich für maximal sechs Monate freistellen lassen. In dieser Zeit erhalten sie 75 Prozent vom Brutto. Die während der Freistellung entstandenen Minusstunden sind dann später bei Wiederaufnahme der Arbeit zurückzuzahlen – wie einen Kredit sozusagen.

Ein Jahr später, im April 2021, folgte dann - immer noch unter dem Eindruck der Pandemie – der Abschluss der zuvor verschobenen Runde. Ergebnis:

  • Eine Erhöhung der VW-Entgelttabelle um 2,3 Prozent ab 1. Januar 2022
  • 1000 Euro Corona-Prämie im Juni 2021 (600 Euro für Auszubildende)
  • Die Leistungsorientierte Vergütung (LOV) wird mit 150 Euro auf Höchstniveau zum festen Bestandteil des Entgelts
  • T-ZUV: 3 Tage Wahlfreiheit für alle Beschäftigten
  • Ausbildungsgarantie von 1400 Plätzen bis 2025 fortgeschrieben
  • Laufzeit bis zum 30. November 2022

Aus November 2022 datiert der jüngste, also derzeit noch aktuelle Haustarifvertrag mit seinen 8,5 Prozent Steigerung. Der Kern: 5,2 Prozent Entgeltplus ab Juni 2023, weitere 3,3 Prozent Erhöhung ab Mai 2024 sowie eine steuer- und abgabenfreie Inflationsausgleichsprämie über 3000 Euro (brutto gleich netto) mit den Auszahlungsmonaten Februar 2023 und Januar 2024. Zudem wurde das bewährte Vorgehen zur Altersteilzeit bis Ende 2027 verlängert und es gab Verbesserungen für Auszubildende und Dual Studierende.

 

INFOKASTEN
 



für LiebhaberInnen: Details zur Tarifrunde

Ein Blick hinaus über den VW-Tellerrand

Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung unterhält das sogenannte WSI-Tarifarchiv (WSI = Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut). Dort gibt es online einen interaktiven Zeitstrahl für die Jahrzehnte der deutschen Tarifbewegung (Link dorthin). Chronologisch zum Nachlesen gibt es das Ganze hier (Link Kurzchronik). Details zu den jüngsten Abschlüssen aller großen Tarifrunden hierzulande aus den vergangenen Jahren sind hier erhältlich (Link Tarifrunden).

Wie lassen sich Tarifabschlüsse über die Jahre miteinander vergleichen?

Das ist schwierig, weil es neben der Frage der Entgeltentwicklung in aller Regel auch qualitative Bestandteile gibt, die sich nicht immer so einfach „einpreisen“ lassen. So haben Themen wie Beschäftigungssicherung, Ausbildungsplätze oder Altersteilzeitregelungen natürlich auch ihren Wert, nur lässt der sich eben vordergründig nicht so beziffern wie ein Plus beim Einkommen.

Für die Entgeltfrage gibt es aber eine Rechenformel, mit der man sich zumindest grob annähern kann an eine vergleichbare Basis. Sie heißt Westrick-Formel (benannt nach einem CDU-Politiker) und lautet so: Die prozentuale Erhöhung wird dabei durch die Laufzeit geteilt und anschließend mit 12 multipliziert. So erhält man eine einigermaßen brauchbaren Wert, der erste Vergleiche zulässt.

Neben der vereinfachten Formel existiert noch eine genauere. Sie lautet:

 

prozentuale Erhöhung x reale Laufzeit in Monaten
________________________________________

reale Laufzeit + (reale Laufzeit - 12)

 

Beispielrechnung für 4 Prozent Plus auf 15 Monate:

 

4,0% x 15
_________          = 3,33 %

15 + (15 - 12)

 

Wer tiefer einisteigen will: hier (Link „Welche materiellen Wirkungen hat ein Tarifabschluss“).

Über diesen Weg werden Abschlüsse miteinander vergleichbar(er). Die IG Metall fordert schließlich auch stets auf Jahresbasis, also für 12 Monate, so wie aktuell die Empfehlung des Vorstandes für 7 Prozent Plus (Link zur Mitteilung).

Mit der Betrachtung auf 12-Monats-Basis lässt sich mit Blick auf das aktuelle Inflations-Umfeld mit den steigenden Verbraucherpreisen schon relativ verlässlich abschätzen, was ein Abschluss (beziehungsweise eine Forderung) wert ist. Die Inflationsrate hatte sich zuletzt wieder beruhigt (hier Zahlen des Statistischen Bundesamtes dazu). Allerdings ist die tabellenwirksame Steigerung, die also die Entgeltstufen in der Entgelttabelle dauerhaft erhöht, mitunter nicht das einzige Element der Entgeltsteigerungen. So hatte es zuletzt bei den VW-Haustarif-Abschlüssen Einmalzahlungen, Corona-Prämien und Inflationsausgleichsprämien gegeben. Auch Verbesserungen bei der betrieblichen Altersversorgung haben auch schon in der Gegenwart einen klaren Gegenwert. All das muss für eine faire Betrachtung berücksichtigt werden, nicht nur das Entgeltplus. Mitunter ergeben sich dabei auch Unterschiede je nach Entgeltstufe - so sind für untere Entgeltstufen Einmalzahlungen wie jüngst die 3000 Euro brutto gleich netto natürlich in Relation zum normalen Monatseinkommen ein großer Schub.

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