14.09.2024 | ZDF-Satiresendung "heute-show" sendet Erklärung der Unternehmensführung - weil die sich ja nicht erklärt
Wolfsburg/Köln - Die Gefühlslage der VW-Belegschaft schwankt nach den Ereignissen der vergangenen Tage irgendwo zwischen fassungslos, verunsichert und verängstigt. Anfang September hatte der Vorstand einen gleich dreifachen Tabubruch begangen und Werksschließungen, Massenentlassungen und Tarifeinschnitte auf die Agenda gesetzt.
Seither kommt vom Vorstand praktisch nichts Konkreteres. Man lässt die Sprengkraft der Ansage offenbar wirken.
Der Gesamtbetriebsrat mit Daniela Cavallo an der Spitze positionierte sich dagegen von Anfang an klar und war für die Beschäftigten stets mit Einordnungen und eigenen Forderungen präsent (unsere Seite IGM bei VW hat das gut dokumentiert, wie zum Beispiel hier und hier und hier und hier und hier und hier ersichtlich ist).
Und die Unternehmensspitze? Sowohl der Markenvorstand (hier mehr über die sieben Herren) als auch der Konzernvorstand (hier entlang zu den acht Herren und der einen Dame) bleiben Antworten schuldig. Die Belegschaft rätselt, wohin die obersten Unternehmenslenker wollen - ja, ob sie strategisch-inhaltlich überhaupt irgendwo hinwollen, außer zu sparen.
Die Außenwirkung des Führungszirkels aus Europas größtem Industriekonzern (300.000 Beschäftigte allein hierzulande) ist geradezu desolat. Nur ein paar Beispiele:
Kernmarken-Chef Thomas Schäfer sagte auf der Betriebsversammlung im Stammwerk zwei Tage nach dem Hiobsbotschaften-Montag, VW habe „Top-Produkte in der Pipeline“ und wolle sie jetzt erfolgreich im Markt positionieren. „Dafür brauchen wir jetzt Geld, um kräftig zu investieren!“ (nachzulesen unter anderem hier). So weit, so gut. Nur will der oberste Kassenwart des Konzerns, Finanzvorstand Dr. Arno Antlitz, der Kernmarke eben solche Produkte streichen oder sie hinausschieben.
Daniela Cavallo hat hierzu in ihrer Betriebsversammlungs-Rede den Finger in die Wunde gelegt und betont:
“Der Vorstand hat das Vertrauen in ihn massiv beschädigt. Zusagen sind nichts mehr wert. Viel zu viel wurde revidiert. Ständig wird hinterfragt, in Abrede gestellt und neu justiert. Das schwächt alle, die am Entscheidungsprozess beteiligt sind. Und nicht zuletzt die Entscheidungsträger selbst! Daher fordern wir jetzt unmissverständlich: Produktzusagen, Standortzusagen und vergleichbare Entscheidungen aus den Planungsrunden müssen eingehalten werden! Andernfalls droht ein weiterer Vertrauensverlust über alle Ebenen und Gremien” (die Wirtschaftswoche hat die Rede übrigens in Gänze veröffentlicht).
Die Betriebsratsvorsitzende nannte für das Stammwerk auch ein genaueres Beispiel: “Für Wolfsburg heißt das ganz konkret: Der A-Main SUVe muss wie zugesagt kommen!” Zur Erklärung: Der A-Main SUVe steht für das vollelektrische Kompakt-SUV, das ab 2026 ein zentraler Eckpfeiler für die Auslastung des Stammwerkes ist. Dieses Fahrzeug schließt im Auslastungsplan der Fabrik die Volumenlücke, die entstanden ist, weil der Trinity 2026 noch nicht kommen wird, für den ursprünglich sogar einmal eine ganz neue Fabrik in Wolfsburg nördlich des bisherigen Stammwerkes geplant gewesen war. Bereits am Montag hatte die Belegschaftsvertretung den Angriff auf den A-Main SUVe in einem Extrablatt seiner Betriebsratszeitung thematisiert und geschrieben: “Auch feste Produkt- sowie Investitionszusagen sind in Gefahr. So stellt etwa für das Stammwerk der Vorstand den sogenannten A-Main SUVe infrage – jenes kompakte elektrische SUV-Modell, das die Auslastung in Wolfsburg ab 2026 sichert.” Es gibt also ganz offensichtlich im Vorstand mindestens zwei Fraktionen: die der Möglich-Macher und die der Kaputt-Sparer.
Kurzum: Der eine Konzernvorstand (Schäfer) sagt hü, der andere (Dr. Antlitz) sagt hott.
Und was macht da der oberste Boss, Konzern-CEO Oliver Blume? Spricht der ein Machtwort? Ordnet der ein, sorgt der für eine Richtung in seinem Gremium und gibt der Belegschaft Orientierung?
Nach wie vor ist das nicht erkennbar.
Blume ließ die Belegschaft auf der Betriebsversammlung wissen: “Die aktuelle Lage bei VW berührt uns alle emotional, auch mich persönlich. Wir führen VW wieder dorthin, wo die Marke hingehört – das ist die Verantwortung von uns allen“. Das Führungsteam der Kernmarke habe dabei seine „volle Unterstützung“. Aha - was auch immer das jetzt heißen mag. Unterstützt er Schäfer beim Füllen der Pipeline? Oder Dr. Antlitz beim Leeren derselbigen? Oder beides? Vielleicht passiert das Eine auch, wenn Blume in Wolfsburg ist, und das Andere, wenn er in Zuffenhausen ist. Die Medien nennen Oliver Blume nämlich schon den "Di-Mi-Do-Chef", weil er für gewöhnlich nur dienstags, mittwochs und donnerstags in Wolfsburg weilt für seine Konzernfunktion und den Rest der Woche in Stuttgart-Zuffenhausen, wo er sich auf seinen Job als Porsche-Chef konzentriert (ob das Zweit-, Neben- oder Hauptjob sein mag, ist auch andauernd Gegenstand medialer Spekulation).
Einen Tag nach der Betriebsversammlung sagte Blume dem ”Handelsblatt": "Wir spekulieren nicht öffentlich über Werke." Ja, vielen Dank auch. Das wäre ja auch noch schöner! Man muss sich diesen Satz wirklich auf der Zunge zergehen lassen: Öffentlich spekulieren sie nicht. Also offensichtlich intern.
Und am Wochenende nach der Betriebsversammlung ließ der Konzern-CEO Belegschaft und Nation über das Boulevard-Blatt “Bild am Sonntag” wissen, dass VW ja zumindest kein “Kahlschlag” drohe. Konkret: “Wir stehen fest zum Standort Deutschland, denn Volkswagen hat ganze Generationen geprägt. Wir haben Mitarbeiter, deren Großväter schon bei Volkswagen gearbeitet haben. Ich will, dass auch ihre Enkel hier noch arbeiten können“ (hier dazu der Link zur Zeitung ”Welt", denn die BamS ist hinter der Bezahlschranke). Na, immerhin. Kahlschlag nicht. Also nur ein paar Brandrodungen? Nur einzelne Wälder lichten? Man weiß es nicht.
So viel zu den für die VW-Belegschaft sichtbaren Führungsqualitäten der Konzern-Oberen. Man muss zu dem Schluss kommen: Lache, wenn es ansonsten nur zum Heulen reicht!
Und genau das passiert auch.
Die ZDF-Satiresendung “heute-show” hat sich der Sache angenommen und nun das geleistet, was der Vorstand vermissen lässt: eine Erklärung, die diesen Namen auch verdient!
Zur besten Sendezeit am Freitagabend, es war übrigens ein Freitag der 13., war die Lage bei VW feinster Stoff für den Hohn der Nation. Denn wer den Schaden hat, muss bekanntlich für den Spott nicht sorgen.
Hier ist der Mitschnitt anzuschauen (Link zur heute-show vom 13. September), man muss zu Minute 23:50 vorspulen. Die eigentliche Erklärung des Vorstandes an die Belegschaft beginnt dann ab Minute 31:10 und ist im Folgenden auch im Wortlaut dokumentiert:
___
(Ein Mann in Anzug und mit Krawatte erscheint, er steht in einem schicken Büro, auf dem lackschwarzen Schreibtisch befinden sich zwei alte Käfer-Modelle. Der Mann beginnt, in die Kamera zu sprechen):
Hallo, liebe Belegschaft,
uns vom Vorstand ist zu Ohren gekommen, dass unsere Idee, eventuell ein paar Werke zu schließen, bei euch gar nicht sooooooo gut ankommt. Und jetzt, wo wir das wissen, verstehen wir auch, warum ihr sooooooo wütend gepfiffen habt bei der letzten Betriebsversammlung. Botschaft angekommen!
Sicher, vieles wirkt aus eurer schlichten Malocher-Sicht irgendwie … unsensibel. Zum Beispiel, dass wir vom Management quasi direkt nach dem Pfeifkonzert mit den VW-Privatjets zu einer dreitägigen Vorstandsklausur in dieses schwedische Ressort geflogen sind (ein Luftbild wird eingeblendet).
Aber - das kann man erklären! Wir wollten uns einfach in schöner Umgebung überlegen, wo man sparen kann. Und: find mal eine schöne Umgebung in Wolfsburg! (er lacht kurz)
Klar: Über 10 Milliarden Gewinn im ersten Halbjahr … da kann man fragen: warum Stellen abbauen? Jaaaa, weil unsere Aktionäre sonst weniger Dividende hätten! Und viele dieser Aktionäre haben nicht wie ihr einen richtigen Job - die leben von der Dividende! Mhhhm? Bitte mal mitdenken! Und als Vorstand sind uns hier doch eh die Hände gebunden: Zwei Familien haben bei der VW AG die Stimmrechtsmehrheit. Hier bei mir im Büro sitzen ständig irgendwelche Piëchs und Porsches und machen die Ansagen!
(Es beginnt eine Szene, in der sich eine Frau zu Wort meldet mit Blick in einen Fahrzeug-Katalog, in dem ein rotes Modell zu sehen ist, und zu dem Vorstand sagt):
“Ich mag das Rot nicht!”
Verstehe! Wir haben das Auto aber noch noch in allen möglichen anderen Farben.
(Frau wieder, diesmal total energisch): “Ich mag das Rot nicht!”
Die Roten werden komplett verschrottet! Heute noch, ihro Gnaden!
(Der Mann ist fortan wieder alleine zu sehen, spricht wieder zur Belegschaft):
Bitte, nicht vergessen: Wir vom Vorstand, wir bringen in diesen Tagen auch Opfer! Nein, das ist kein Witz! VW-Top-Manager dürfen seit kurzem keinen Porsche mehr als Dienstwagen fahren. Stattdessen zwingt man uns, ernsthaft, Volkswagen zu fahren! Vor allen Leuten!
(Der Mann steigt in einem Parkhaus in einen Passat, indem er beim Öffnen der Türklinke seine Krawattenspitze wie einen Schutzhandschuh benutzt. Er lässt sich auf dem Fahrersitz nieder und beginnt, im Innenraum zu würgen und wirkt dabei, als bekäme er keine Luft oder wolle das Atmen im Auto vermeiden. Er schreit wie unter Schmerzen, fährt wenige Meter bis zu einem Porsche, parkt den Passat daneben, steigt aus, sprintet zu dem Porsche, steigt darin ein und braust davon. Dann wird im Abspann das VW-Logo eingeblendet und in Anlehnung an den früheren VW-Werbeslogan “Das Auto” der Spruch vorgelesen: “Das Vorstand. Wir haben verstanden.”)
___