22.03.2025 | Nachwuchs aus Emden, Hannover, Osnabrück und Poznań postierte sich für Foto vor weltbekanntem KZ-Eingang
Emden/Hannover/Osnabrück/Poznań/Oświęcim - Auszubildende aus dem Volkswagen-Konzern warnen mit einer Foto-Aktion vor der gefährlichen Rhetorik des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Der Politiker hatte Gegner und Kritiker seiner Regierung vor kurzem als “Wanzen” verunglimpft. Wörtlich sagte er in seiner Rede zum ungarischen Nationalfeiertag am 15. März in Budapest: “Nach der heutigen feierlichen Zusammenkunft beginnt der große Osterputz. Die Wanzen haben überwintert. Wir liquidieren die Finanzmaschinerie, die mit korrupten Dollar Politiker, Richter, Journalisten, Pseudo-Zivilorganisationen und politische Aktivisten gekauft hat.”
Hintergrund: Es hatte seinen festen Platz in der Nazi-Rhetorik, Menschen als Ungeziefer beziehungsweise Schädlinge zu bezeichnen und sie damit sprachlich zu entmenschlichen. So gab es etliche Schädlings-Metaphern für die Juden - zum Beispiel wurden sie den Ratten gleichgesetzt. Was rhetorisch begann, setzte sich in der Entmenschlichung und Entrechtung fort und endete bekanntermaßen mit millionenfachem Mord. In Auschwitz geschah das mit dem Schädlingsbekämpfungsmittel Zyklon B. Mehr zum Thema antisemitische Tiervergleiche hat die Amadeu-Antonio-Stiftung hier zusammengefasst. Dort wird auch erklärt, wie die Nazi-Rhetorik heute noch in den Liedtexten von Rechtsrock-Bands fortlebt.
Immer wieder gibt es auch Skandale, wenn in der Politik Schädlings- und Ungeziefer-Vergleiche benutzt werden. Hier mal eine Beispiel aus München, wo man den bayerischen Löwen von den Läusen aus SPD und Grünen befreien wollte. Oder hier ein internationales Beispiel von Donald Trump.
Der britische Intellektuelle Aldous Huxley sagte 1936 so treffend: “Wenn Sie einen Menschen eine Wanze nennen, bedeutet das, dass Sie die Absicht haben, ihn wie eine Wanze zu behandeln.” (Quelle)
Und nun also Orbán mit den “Wanzen” und dem “Frühjahrsputz” und der “Finanzmaschinerie” (ein auch oft antisemitisch aufgeladener Begriff).
Heubner: Holocaust-Überlebende sind entsetzt
Das Internationale Auschwitz Komitee (IAK) kritisiert die Worte Orbáns scharf. Der geschäftsführende IAK-Vize-Präsident Christoph Heubner sagt: “Überlebende des Holocaust sind entsetzt und empört über die hasserfüllten Angriffe und Androhungen, die Viktor Orbán seinen politischen Gegnern entgegenschleudert und die auch immer einen antisemitischen Unterton beinhalten.“ Die Wortwahl Orbáns sei eines europäischen Regierungschefs unwürdig. Politisch Andersdenkende ”Wanzen" zu nennen, erinnere Holocaust-Überlebende an dunkle Zeiten der Ausgrenzung und der Unmenschlichkeit.
Auschwitz-Komitee appelliert an EU-Kommission
Das Auschwitz-Komitee wendete sich zudem an die Kommissionspräsidentin der EU: "Gerade angesichts des Applauses, der Orban immer wieder von anderen rechtsextremen Parteien in Europa entgegengebracht wird und der Europa massiv diskreditiert, erwarten nicht nur die Überlebenden des Holocaust jetzt von Frau von der Leyen und anderen europäischen Regierungschefs ein klares Wort, dass diese Form der Bedrohung und Ausgrenzung von anderen Menschen in Ungarn und in Europa kein Recht mehr hat und Europa sich gegen die Attacken rechtsextremer und antisemitischer Kräfte zur Wehr setzen wird.“
Orbán herrscht in Ungarn seit rund 15 Jahren mit autoritären Methoden. Die EU hält demokratische Selbstverständlichkeiten wie zum Beispiel die Freiheit der Medien und die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn für eingeschränkt. Teilweise sind EU-Geldflüsse nach Ungarn deswegen ausgesetzt. Zu den Vorwürfen an Orbán selber gehören auch Vetternwirtschaft und Fördergeld in die eigene Tasche zu stecken. Nach der jüngsten Bundestagswahl beglückwünschte Orbán die AfD und nicht die Union mit Wahlgewinner Merz.
Für ihre Foto-Botschaft haben die VW-Auszubildenden den Satz gewählt: “Herr Orbán, Menschen sind keine Wanzen!”. Er ist in drei Sprachen formuliert. Postiert für das Foto hat sich der VW-Nachwuchs vor dem weltbekannten Torhaus am Eingang des ehemaligen Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau. Dort hatte Ende Januar die Gedenkfeier zu 80 Jahre Auschwitz-Befreiung stattgefunden. Auschwitz heißt auf Polnisch Oświęcim, die Stadt und das an ihrem Rand gelegene frühere Konzentrations- und Vernichtungslager liegen auf heute wieder polnischem Boden.
Der Holocaust in Auschwitz ist eng mit dem Schicksal hunderttausender ungarischer Jüdinnen und Juden verbunden. Nach Angaben der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem begannen die Deportationen der ungarischen Juden nach Auschwitz-Birkenau im Mai 1944. Etwa 424.000 Jüdinnen und Juden wurden innerhalb von 56 Tagen deportiert. Insgesamt ermordeten die Nationalsozialisten etwa 565.000 ungarische Juden.