Klare Botschaften zum Tag der Arbeit

Daniela zum 1. Mai: "Die kommenden Jahre sind die entscheidenden in der Transformation"

02.05.2022 | Zum Tag der Arbeit hat Daniela Cavallo in Wolfsburg eine der Reden zum 1. Mai gehalten. Der Kern ihrer Ausführungen ist hier wiedergegeben:

(...)
Auch ich kann und will meine Rede nicht beginnen, ohne das Thema anzusprechen, das über allem lastet.

Unser Dachverband, die IndustrAll, hat sich vor kurzem mit den Gewerkschaften in der Ukraine zusammengeschaltet. Aber nur ein Bruchteil unserer Kolleginnen und Kollegen von dort konnte teilnehmen. Weil Krieg ist.

Viele von Euch wissen, ich habe Wurzeln in Italien. Rom ist von hier aus 1500 Kilometer entfernt. Und genauso weit entfernt, auch 1500 Kilometer, ist Kiew.

Die Hauptstadt der Ukraine ist nicht irgendwo. Kiew liegt mitten im Herz Europas. Die Menschen in der Ukraine streben mit großer Mehrheit in die Europäische Union. Sie teilen unsere westlichen Werte einer freien, gleichen und demokratischen Gesellschaft.

Und während wir hier heute stehen, am Tag der Arbeit, und unsere Fahnen schwenken können, können das unsere Kolleginnen und Kollegen aus der Mitbestimmung in der Ukraine nicht.

Sie sitzen vielleicht gerade im Bunker.

Oder es ist so, wie unsere Industri All damals nach dem Treffen schrieb:

Viele Gewerkschaftsmitglieder sind jetzt bei den Streitkräften. Sie setzen ihr Leben aufs Spiel. Sie verteidigen ihr Land. Ein Land, das souverän ist und das auch bleiben muss!

Kolleginnen und Kollegen: Der Angriffskrieg durch Putins Russland ist durch nichts zu rechtfertigen. Er ist völkerrechtswidrig. Er gehört sofort gestoppt!

Putin steht für all das, was wir als Gewerkschaftsbewegung verachten und seit Jahrzehnten bekämpfen:

Für staatliche Bevormundung,
für die anti-demokratische Idee einer Gesellschaft,
für Homophobie und für eine verachtenswerte Rolle der Männer,
für das Bekämpfen von Pluralismus und Meinungsfreiheit,
und nicht zuletzt für Gewalt und für das Recht des Stärkeren,
für eine Politik mit Panzern und für das unverhohlene Drohen mit Atomwaffen.

Kolleginnen und Kollegen, mit Blick auf die Lage in der Ukraine wirken unsere Probleme hier zuhause klein und unbedeutend.

Aber neben unserer uneingeschränkten Solidarität mit der Ukraine und neben humanitärer Hilfe, wo sie nur geht, dürfen wir eines nicht vergessen: Unsere Themen der Mitbestimmung werden nicht unbedeutender und weniger wichtig, weil Putin die Ukraine mit seinem Krieg überzieht.

Im Gegenteil: Die Werte unserer Gewerkschaftsbewegung sind genau das, was es umso mehr zu stärken gilt, je größer anderswo der Gegenentwurf auftaucht.

Und in den kommenden Jahren geht es um die entscheidenden Jahre für die Frage, ob unsere Gewerkschaftsbewegung den Wandel so erfolgreich gestaltet, wie es uns bisher so oft gelungen ist.

Liebe Yasmin Fahimi, Du wirst in Deiner Mai-Rede ja gleich bestimmt noch näher darauf eingehen.

Aber ich will für uns hier im VW-Land schon einmal zeigen, was da ansteht.

Allein in unserem Stammwerk steht in den kommenden Jahren der größte Wandel an, den der Standort jemals gesehen hat. Noch viel größer als der Wechsel vom Käfer auf den Golf. Was hier passieren wird, ist historisch:

In die neue Trinity-Fabrik in Warmenau und in unser neues Herz für die Produktentstehung, Campus Sandkamp, fließen zusammen rund drei Milliarden Euro. Die Transformation unserer fahrzeugbauenden Werke in Zwickau und Emden mit dem ID und in Hannover mit dem ID-Buzz hat ganz ähnliche Dimensionen.

Und auch unserer Komponentenwerke verändern sich dramatisch. Das Beispiel Salzgitter ist vielen bekannt: Dort wird, vielleicht sogar noch in diesem Jahrzehnt, der für den Standort letzte Verbrennungsmotor produziert. Nebenan aber entsteht die Batteriezellfabrik, ebenfalls ein Milliardenprojekt.

Ich habe jetzt viel von Produkten und Zahlen gesprochen. Aber klar ist: Dahinter steht ganz konkret Beschäftigung, dahinter stehen unsere Kolleginnen und Kollegen, und das, was wir „gute Arbeit“ nennen.

Und vor allem stehen dahinter auch Hunderte Zulieferer und Dienstleister. Die Automobilindustrie hier im VW-Land ist eben nicht nur VW. Zu ihr gehören auch die großen, die mittleren und selbstverständlich auch die kleinen Betriebe, die mit unserem Geschäft eng verbunden sind und die unseren Erfolg überhaupt erst möglich machen.

Gerade diese kleinen und mittelständischen Betriebe werden gerne mal vergessen. Aber, Kolleginnen und Kollegen, wir Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter wissen: Nur gemeinsam sind wir unschlagbar.
(...)