29.09.2023 | Der Vorstand des Volkswagen-Konzerns hat dem Aufsichtsrat des Konzerns am Freitag die ersten Beschlüsse zur Planungsrunde 72 präsentiert. Zu den Verhandlungen und dem Ergebnis für die Belegung der VW-Werke äußert sich die Gesamtbetriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo im Interview mit der Betriebsratszeitung MITBESTIMMEN!.
Daniela, die ersten Ergebnisse der Planungsrunde 72 liegen vor. Wie zufrieden bist Du mit dem bisher Erreichten?
Sagen wir: recht zufrieden. Die Verhandlungen waren so schwierig wie die Lage, in der sich unser Unternehmen befindet. In diesem Umfeld ist es uns gelungen, für die fahrzeugbauenden Standorte Lösungen zu finden, die sie nicht nur für den Moment tragen, sondern Lösungen, die zukunftsgerichtet sind. Wir haben jetzt einen Fahrplan, E-Modelle auch in die Werke zu bringen, die bisher ausschließlich Verbrenner produzieren. Besonders freue ich mich übrigens, dass unsere Kolleginnen und Kollegen in Osnabrück nach Jahren der Unsicherheit nun eine klare Perspektive haben – mit einem vollelektrischen Porsche-Produkt. Porsche will bis 2030 mehr als 80 Prozent seiner Fahrzeuge vollelektrisch anbieten. Osnabrück wird seinen Anteil an dieser Erfolgsgeschichte haben.
Gehen Betriebsrat und Unternehmen eigentlich in dieselbe Richtung? Wie schwer waren die Verhandlungen?
Wir erleben eine Zeit von rückläufiger Nachfrage auf dem Weltmarkt, von Versorgungsengpässen, Inflation, Krieg und Konkurrenzdruck vor allem aus China. Diese und weitere Faktoren fließen natürlich in so eine Verhandlung mit ein. Wir haben die Zurückhaltung der Unternehmensseite, milliardenschwere Investitionen zu tätigen, in langen und teils zähen Verhandlungen deutlich gespürt. Umso wichtiger, dass wir uns am Ende in wichtigen Punkten im Sinne der Beschäftigten und des Unternehmens einigen und durchsetzen konnten.
Es ist beschlossene Sache, dass Wolfsburg nun doch kein neues Werk im Ortsteil Warmenau bekommt. Was heißt das für den Standort? Ist das nicht eine Niederlage?
Ganz klar: nein. Als die Planung für die neue Fabrik für das Trinity-Projekt begonnen hatte, war der Bedarf da. Denn im bestehenden Werk wäre die Einrüstung des neuen Modells auf SSP-Plattform im laufenden Betrieb nicht möglich gewesen. Und wir reden schließlich von einem Modell und einer Plattform, die die Zukunft von Volkswagen prägen wird. Mittlerweile haben sich die Vorzeichen geändert: Trinity geht nicht nach Wolfsburg, sondern nach Zwickau. Das freut mich sehr für die Kolleginnen und Kollegen dort, die dort ja schon seit 2019 in der Pionierrolle stehen! Gleichzeitig kommen neue Modelle nach Wolfsburg, darunter ein neuer Golf auf der SSP-Plattform. Diese Pläne funktionieren zum Glück im bestehenden Werk, also ohne Neubau. Dafür muss es an vielen Stellen in erheblichem Maße modernisiert werden. Das sehe ich sehr positiv.
Über das Performance Programm „Accelerate Forward“ soll die Marke VW nachhaltig 10 Milliarden Euro einsparen. Was bedeuten die bisherigen Ergebnisse aus der Planungsrunde für das Performance Programm?
Noch ist ja gar nicht beschlossen, wo die 10 Milliarden Euro Einsparung im Performance Programm für die Marke herkommen sollen. Hier habe ich Markenchef Thomas Schäfer auf unserer jüngsten Betriebsversammlung aufgefordert, Vorschläge auf den Tisch zu legen und ein Zielbild für die Zukunft zu formulieren. Insofern kann das Performance Programm keinen direkten Einfluss auf die Planungsrunde haben. Aber natürlich gibt es da eine große Schnittmenge: Bei der Werkbelegung stehen die Wirtschaftlichkeit der Produkte und die damit verbundenen Investitionen diesmal unter besonders hohem Erfolgsdruck.
Wir hören Ergebnisse für Wolfsburg, Hannover, Emden, Sachsen und Osnabrück. Was ist mit den Komponentenwerken, also Braunschweig, Chemnitz, Kassel und Salzgitter?
Die Komponente ist im zweiten Schritt an der Reihe. Aber nicht, weil sie uns weniger wichtig wäre, sondern weil das die Logik der Reihenfolge ist. Bereits mit den Produktfestlegungen für die fahrzeugbauenden Werke sind jetzt wichtige Vorentscheidungen für die Komponente gefallen. Das Gesamtpaket für die Komponente bringen wir nun in den nächsten Wochen ins Ziel – und sobald wie möglich informieren wir natürlich darüber, wie auch jetzt über die fahrzeugbauenden Werke.
Wie geht es nach der Planungsrunde 72 weiter? Ist dann ein Jahr lang Ruhe?
Zunächst einmal geht es in die Umsetzung der erfolgten Beschlüsse. Das werden wir mit dem Gesamtbetriebsrat und den Arbeitnehmervertretungen vor Ort aufmerksam und aktiv begleiten. Und dann setzen wir uns für die Planungsrunde 73 nicht erst ein paar Tage vorher zusammen. Das ist ein fortlaufender Prozess über das ganze Jahr. Darin fließen Entwicklungen aus den Märkten, aus Wirtschaft und Politik und nicht zuletzt aus unseren Werken ein. Wenn man so will, läuft die Planungsrunde 73 also schon.